J. Pilvousek: Die katholische Kirche in der DDR

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Titel
Die katholische Kirche in der DDR. Beiträge zur Kirchengeschichte Mitteldeutschlands


Herausgeber
Pilvousek, Josef
Erschienen
Münster 2014: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
457 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Alois Steiner

Das Gebiet von Mitteldeutschland (Thüringen, Sachsen etc.) war schon während des Zweiten Weltkrieges Aufnahmegebiet von Saarländern, die 1939 einen französischen Angriff befürchteten. Sie konnten bereits 1940 heimkehren. Dafür wurden 1943/44 Rheinländer dorthin evakuiert.

Nach dem deutschen Zusammenbruch 1945 kamen Flüchtlinge aus dem Osten und Südosten des deutschen Reiches ins gleiche Gebiet. Je nach politischer Situation nannte man sie Flüchtlinge, Evakuierte, Zwangsdeportierte, Umsiedler, Neubürger. Es gab hervorragende Persönlichkeiten, die in dieser Diaspora für die Flüchtlinge einstanden: Heinrich Wienken (1883–1961), Bischof von Meissen, war für viele Weichenstellungen zugunsten der Flüchtlinge verantwortlich. Sein Nachfolger, Bischof Otto Spülbeck (1904–1970), führte die Eingliederungsarbeit weiter. Er galt als grosser Anhänger des 2. Vatikanischen Konzils (1962–1965) und Schöpfer der Meissner Synode. Sein Nachfolger Bischof Gerhard Schaffran (1912–1996) konnte die allzu optimistische Synode beenden und die Ergebnisse in die «Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR» einfliessen lassen. Bedeutende Persönlichkeiten wie Weihbischof Freusberg (1881–1964), Propst Josef Streb (1893–1976) oder Bischof Joachim Wanke prägten die Aufbauarbeit in der DDR.

Wesentlich war auch die Errichtung der Ostdeutschen Bischofskonferenz 1950 durch Papst Pius XII. durch die Abtretung der im Osten gelegenen Diözesanteile von Paderborn, Fulda, Osnabrück und Würzburg. Sie hatte bis 1990 Bestand. Die Bischöfe traten dann in die (Gesamt-)Deutsche Bischofskonferenz über. Die DDR und 2. Vatikanum: 1960 beschäftigte sich die Ostdeutsche Bischofskonferenz (damals Ordinarienkonferenz) mit den möglichen Konsequenzen von allfälligen Konzilsbeschlüssen für die katholische Kirche in der DDR. Der damalige Berliner Bischof Kardinal Döpfner forderte, jede antikommunistische Spitze zu vermeiden. Dank Erzbischof Bengsch (Nachfolger von Döpfner) kam es auf dem Konzil zu keiner Verurteilung des Kommunismus. Die Bischöfe in der DDR waren am deutsch-polnischen Briefwechsel der Bischöfe, der eine wechselseitige Vergebung anregte, massgeblich beteiligt, was von Seite der DDR Regierung beunruhigt festgestellt wurde. Das Konzil förderte das Gefühl der Zugehörigkeit zur Weltkirche und verhinderte eine menschliche, kirchliche oder wissenschaftliche Isolation.

Markante Einschnitte waren die Elisabethenwallfahrt 1957 (750. Geburtstag der hl. Elisabeth von Thüringen) sowie 1981 die Feier des 750. Todestags der Heiligen, kombiniert mit dem Franziskusjubiläum (800. Geburtstag des hl. Franz von Assisi). Dabei fand auch das «Mattenkapitel», die Vollversammlung der Franziskanischen Familie, statt. Die grosse Teilnehmerzahl von 65.000 Teilnehmern beeindruckte alle. Das Elisabethjubiläum 1981 wurde dabei zum «Modellfall für ein Katholikentreffen».

Die Aufarbeitung der Katholizismusgeschichte der DDR-Zeit: Gerade am Tage des Mauerfalls vom 10. November 1989 trafen sich in Rom der Berliner Bischof Georg Sterzinsky und einige seiner geistlichen Begleiter mit dem Kirchenhistoriker Josef Pilvousek aus Erfurt, der in der Ewigen Stadt ein Studienjahr verbrachte. Dabei drehte sich alles um die Frage, ob Deutschland wiedervereinigt würde. Jemand erkundigte sich nach dem Aktenmaterial der ostdeutschen Bischofskonferenz. Pilvousek wurde am gleichen Abend gebeten, sich um die «Akten», wie es von nun an hiess, zu kümmern. Da die «Akten» aus Sicherheitsgründen dezentral gelagert waren, galt es zunächst abzuklären, wo sich das entsprechende Material befand. Schliesslich wurde beschlossen, die Unterlagen im Archiv des Bistums Erfurt zu platzieren. In der ersten Phase wurden vor allem zwei Dokumentarbände herausgegeben. Eine vollständige Geschichte wurde bis heute nicht realisiert, weil es Recherchen bedarf, die kaum quellenmässig erfassbar sind. Pilvousek hat sich nach seiner Emeritierung entschlossen, seine verschiedenen grössern und kleineren Aufsätze zu einer Geschichte des Katholizismus in der DDR zusammenzufassen. Der Aschendorff Verlag in Münster ermöglichte das Erscheinen dieses Aufsatzbandes.

Zitierweise:
Alois Steiner: Rezension zu: Josef Pilvousek, Die katholische Kirche in der DDR. Beiträge zur Kirchengeschichte Mitteldeutschlands, Münster, Aschendorff Verlag, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 418-421.

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